ARBEITSZEUGNISSE MIT LEICHTIGKEIT SCHREIBEN & VERSTEHEN

Es sind die sprachlichen Feinheiten, die aus einem Arbeitszeugnis ein oftmals schwer zu entschlüsselndes Dokument machen. Zwei Buchstaben zum Beispiel entscheiden: ist das Zeugnis Note 1 oder doch „nur“ Note 2. „Zur Ihrer vollsten Zufriedenheit“ - oder „Zu Ihrer vollen Zufriedenheit“?!
Sicher ist: Ein Arbeitnehmer hat das Recht auf ein ordentliches Arbeitszeugnis, die Sprache ist daher von ausgesuchter Höflichkeit und Wohlwollen geprägt. Lernen Sie die versteckten, aber erkennbaren Hinweise kennen, die helfen Arbeitszeugnisse richtig zu lesen und zu verfassen.

5 Tipps, wie Sie ein Zeugnis schnell schreiben und verstehen.

Tipp 1 - FORMALIEN EINHALTEN

Es gibt zwar keine gesetzlichen Vorschriften, wie der Aufbau bei einem Arbeitszeugnis im Detail auszusehen hat, aber bestimmte Bestandteile haben sich durchgesetzt:

  • Briefkopf (inkl. Logo, vollständige Angaben zum Arbeitgeber)
  • Überschrift: Arbeitszeugnis
  • Daten zum Arbeitnehmer (Name, Geburtsdatum und -ort des AN)
  • Beschäftigungsdauer
  • Tätigkeitsfeld/Tätigkeitsbeschreibung
  • Bewertung des Arbeitnehmers
    • Bewertung der Arbeitsbereitschaft und der Arbeitsbefähigung
    • Beurteilung der Arbeitsweise
    • Bewertung der Fachkompetenz
    • Nennung spezieller Fähigkeiten und Kenntnisse
    • Bewertung möglicher Führungskompetenzen
    • Sozialverhalten im Hinblick auf Vorgesetzte, Mitarbeiter und Kunden
  • Gründe für das Ausscheiden des Arbeitnehmers
  • Schlussformel und Zukunftswünsche
  • Ort und Datum
  • Unternehmen
  • Unterschrift des Vorgesetzten oder seines Vertreters
Dennoch müssen Sie nicht in die gesamte Tiefe der Formulierungen für Zeugnisse eintauchen.

Tipp 2 - KOMPETENZEN BETONEN

Überprüfen Sie, ob der Tätigkeitsblock im Arbeitszeugnis verdeutlicht, wie vielfältig das Aufgabengebiet, die Tätigkeiten und gegebenenfalls auch die Verantwortungsbereiche waren. Knappe Aufzählungen im Stil von "Das Aufgabengebiet von Frau Müller umfasste den Verkauf" sind nicht aussagekräftig und lassen ein eher negatives Bild von Frau Müllers Motivation entstehen.
Besser wäre eine ausführliche Darstellung, beispielsweise so: "Das verantwortungsvolle Aufgabengebiet von Frau Müller umfasste den Verkauf von Büromaterial einschließlich Lotto-Produkten, insbesondere […]".

Tipp 3 - ERFOLGE AUFZÄHLEN

Sofern Sie mit Frau Müllers Arbeitsleistung zufrieden waren, sollten Sie nicht nur Tätigkeiten und Verantwortungsbereiche aufzählen, sondern auch Ihre Erfolge betonen. Zum Beispiel:

  • die Schulung von Kollegen,
  • Optimierungen von Arbeitsabläufen,
  • Kosteneinsparungen oder
  • erfolgreiche Projekte.

Sprachlich eingeleitet werden besondere berufliche Erfolge mit Formulierungen wie "Besonders zu erwähnen ist, dass […]", "Hervorzuheben ist […]" oder "Besonders erwähnen möchten wir an dieser Stelle, dass […]".

Tipp 4 GEHEIMCODES RICHTIG VERSTEHEN

Geheimcodes verstecken sich in "Nicht"-Formulierungen, Relativierungen oder Widersprüchen. Hier ein paar Beispiele:
Nicht-Formulierungen: Heißt es im Zeugnis "Die Motivation von Herrn Müller ist nicht zu kritisieren", handelt es sich um eine typische "Nicht"-Formulierung. Gemeint ist in Wirklichkeit, dass die Motivation von Herrn Müller zu kritisieren ist! Ähnlich ist die Beschreibung "untadelige Persönlichkeit" zu werten. Auch hier wird zwischen den Zeilen ausgedrückt, dass die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zur Beanstandung Anlass gab.

Relativierungen: Zu den Relativierungen in Arbeitszeugnissen gehören Einschränkungen wie "im Großen und Ganzen" oder "im Wesentlichen". Die Aussage "Sie war im Wesentlichen motiviert" meint also tatsächlich "Sie war manchmal motiviert, was aber selten vorkam", was einem "mangelhaft", also der Note 5 entspricht.

Widersprüche: Wird im Aufgabenblock auf wichtige Projekte hingewiesen, im Bewertungsblock aber nichts weiter zum Gelingen der Projekte ausgeführt, handelt es sich um einen Widerspruch im Zeugnis. Gleiches gilt für die Gesamtnote.

Tipp 5 - DANK, BEDAUERN UND WÜNSCHE?

Enthält das Zeugnis nach dem Kündigungsgrund eine Schlussformel? Damit ist gemeint, dass erstens das Bedauern über den Weggang, zweitens ein ausdrücklicher Dank für die bisherigen Leistungen und drittens gute Wünsche für die weitere berufliche Zukunft ausgesprochen werden.

Auch wenn Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung keinen Anspruch auf "Dank und Bedauern" haben, enthalten Endzeugnisse dennoch eine Formulierung wie "Wir bedauern sein Ausscheiden sehr, bedanken uns für die langjährige stets produktive Zusammenarbeit und wünschen Herrn Müller für seine berufliche und private Zukunft alles Gute und weiterhin Erfolg." (Note 1).
Bei einer eher mittelmäßigen Leistung (Note 3) könnte hingegen so formuliert werden: „Wir danken für seine Mitarbeit und bedauern es, ihn zu verlieren. Wir wünschen ihm alles Gute auf seinem weiteren Lebens- und Berufsweg.“

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AUTOR: MARTIN RÖSSLER

Er ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er hat sich seit über einem Jahrzehnt auf die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung von Arbeitgebern (in kleinen und mittelständischen Firmen) spezialisiert.

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